Patient:innen zurück auf den Schwarzmarkt? – Gemeinsamer Bundesausschuss bedroht etablierte Versorgung von schwerstkranken Patient:innen mit Cannabis als Medizin
Berlin, 30.11.2022: „Es besteht die Gefahr, dass schon bald wieder viele schwerstkranke Patient:innen in den Schwarzmarkt zurück gezwungen werden“, ist die einhellige Meinung der Fachverbände von Patient:innen, Ärzt:innen, Apotheker:innen und Herstellern auf den neuen Richtlinienentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum zukünftigen Umgang mit Cannabis als Medizin. Heute wurden die Stellungnahmen verschiedener Verbände beim G-BA eingereicht.
Im am 01.11.2022 veröffentlichten Richtlinienentwurf des G-BA wird unter anderem vorgeschlagen, dass getrocknete Cannabisblüten nur noch nach besonderer Begründung verordnet und erstattet werden dürfen. Gleichzeitig wird angeregt, dass es zukünftig nur noch bestimmten Fachärzt:innen erlaubt sein soll, Rezepte für cannabisbasierte Medikamente auszustellen. Hausärzt:innen wären bei der Versorgung von Patient:innen damit außen vor. Darüber hinaus werden zahlreiche und zusätzliche bürokratische Hürden empfohlen, die das Verordnen von Cannabis in den unterschiedlichen Applikationsformen weiter erschweren würden.
Im Jahr 2017 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften („Cannabis-als-Medizin-Gesetz“), welches den Weg für Therapien mit Cannabis in der Breite eröffnete und bis heute mehreren zehntausend Patient:innen mit schweren Krankheiten eine deutliche Steigerung ihrer Lebensqualität ermöglichte. Nach dem Willen von Teilen des G-BA soll die Versorgung der Bevölkerung mit cannabisbasierten Medikamenten aber nicht etwa erleichtert, sondern weiter erschwert werden. Patient:innen würden dadurch im schlimmsten Falle (zurück) in die Illegalität gedrängt oder müssten ihre Therapie abbrechen, wenn ihnen der Zugang zu Therapien erschwert wird und sie nicht in der Lage sind, die Kosten dafür selbst zu tragen.
Nach Einschätzung der unterzeichnenden Verbände widersprechen die vom G-BA gegebenen Empfehlungen den Zielen und dem Willen des Gesetzgebers, die er mit dem Cannabis-als-Medizin-Gesetz seit 2017 verfolgte.
Darüber hinaus sind die vorgeschlagenen Neuregelungen – mit Blick auf die geplante Legalisierung von Cannabis als Genussmittel – ein Schlag ins Gesicht der Patient:innen, die seit Jahren erfolgreich mit cannabisbasierten Medikamenten behandelt werden. Während darüber debattiert wird, Cannabis zu legalisieren, da die Gefahren für die Gesundheit durch den Schwarzmarkt mit den dazugehörigen Risiken zu groß sind, werden Patient:innen im schlimmsten Fall genau in diesen bzw. zum Eigenanbau gezwungen.
Weiterhin sind Teile des G-BA-Richtlinienentwurfs ein direkter Angriff auf die Therapiefreiheit der Ärzt:innen. Während der aktuelle Rechtsrahmen bereits jetzt große Hürden für die Verschreibung von Cannabis als Medizin setzt, würden in Zukunft noch weniger Ärzt:innen in der Lage sein, über die richtige Behandlungsmethode für ihre Patient:innen zu entscheiden.
Nicht zuletzt beruhen die derzeitigen Entwürfe der neuen G-BA-Richtlinie auf den Erkenntnissen der Begleiterhebung, welche einerseits nicht als wissenschaftliche Studie verstanden werden darf und andererseits nur einen Bruchteil der Patient:innen abbildet und damit nicht repräsentativ ist. Trotz dieser methodischen Einschränkung schlussfolgern die Verfasser der Begleiterhebung u. a., dass in nahezu 75 % der Fälle durch die Anwendung von Cannabisarzneimitteln eine Besserung der Symptomatik erreicht wurde. Berichtete Nebenwirkungen waren häufig, aber in der Regel nicht schwerwiegend. Somit überrascht es sehr, dass die nun vorliegenden Entwürfe der neuen G-BA- Richtlinie den Zugang für eine cannabisbasierte Medikation insbesondere für Kassenpatient:innen deutlich einschränken würde.
Deutschland ist in den vergangenen fünf Jahren für seine Vorreiterrolle beim Umgang mit Cannabis als Medizin als Vorbild bewundert worden. Tausende schwerkranke Patient:innen konnten ihre Lebensqualität deutlich verbessern. Weltweit wurden Regierungen anderer Länder durch die deutschen Erfahrungen ermutigt, selbst entsprechende Schritte zu unternehmen. Doch heute stehen wir vor einer Rolle rückwärts bei Medizinalcannabis, während wir gleichzeitig im Genussmittelbereich drei Rollen vorwärts machen wollen. Und dies, obwohl viele bis heute un- und unterversorgte Patient:innen auf Verbesserungen im Cannabis-als-Medizin-Gesetz wie eine Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts hofften.
Patient:innen brauchen ärztliche Begleitung und eine Möglichkeit der Erstattung durch die Krankenkassen. Wenn wir jetzt die Rolle rückwärts vollziehen, lassen wir die Schwächsten unserer Gesellschaft – die schwerkranken Patient:innen – im Regen stehen.
Die Verbände haben ihre Stellungnahmen gegen die vorgesehenen Verschlechterungen bei der Versorgung mit Cannabismedikamenten fristgerecht beim G-BA eingereicht und setzen sich weiter dafür ein, dass auch im Bereich Cannabis als Medizin Schritte nach vorn gemacht werden.
Den Richtlinienentwurf des G-BA zum zukünftigen Umgang mit Cannabis als Medizin finden Sie hier: Beschluss Arzneimittel-Richtlinie: Einleitung eines Stellungnahmeverfahrens – § 4a und Abschnitt N §§ 44 bis 46 (Cannabisarzneimittel)
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Über die Verbände:
Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM)
Ansprechpartner: Dr. med. Franjo Grotenhermen, Prof. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl
Telefon: 05233 953 72 46
Webseite: https://www.arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de/
E-Mail: info@arbeitsgemeinschaft-cannabis-medizin.de
Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) wurde 1997 in Köln gegründet. In ihr haben sich Ärzt:innen, Apotheker:innen, Patient:innen, Jurist:innen und andere Interessierte aus Deutschland und der Schweiz organisiert. Die ACM hat in den vergangenen 25 Jahren maßgeblich an den Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden in Deutschland mitgewirkt. So wurde durch eine von der ACM initiierte Verfassungsbeschwerde und nachfolgende Musterprozesse vor den Verwaltungsgerichten der Weg für Ausnahmeerlaubnisse für die Verwendung von Cannabis aus der Apotheke im Jahr 2007 und schließlich für das Gesetz aus dem Jahr 2017 bereitet.
Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. (BDCan)
Ansprechpartnerin: Daniela Joachim
Telefon: 0201 6485 0852
Webseite: https://bdcan.de
E-Mail: info@bdcan.de
Der Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. (BDCan) als gemeinnütziger Verein setzt sich durch direkten Austausch mit der Politik, Ärzt:innen, Apotheker:innen, Krankenkassen, MDK sowie der Industrie dafür ein, dass Patient:innen mit qualitativ hochwertigen Cannabisarzneimitteln in verschiedenen Darreichungsformen flächendeckend von den niedergelassenen Apotheken vor Ort und zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen versorgt werden, wenn eine Therapie mit Cannabinoiden indiziert ist. Zudem bieten wir unseren Mitgliedern Unterstützung bei der Gründung von Selbsthilfegruppen und beraten in diesen sowie über unsere Hotline und per E-Mail zu allen Fragen rund um die Therapie mit Medizinalcannabis.
Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW)
Ansprechpartner & V.i.S.d.P.: Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer
Telefon: 0163 9860 888
Fachlicher Ansprechpartner: Dr. Armin Prasch, Fachbereichskoordinator Medizinalcannabis
Webseite: https://cannabiswirtschaft.de
E-Mail: kontakt@cannabiswirtschaft.de
Der BvCW ist die Stimme der Cannabiswirtschaft in Deutschland und vertritt alle Branchensegmente und Unternehmensgrößen gegenüber Politik und Verwaltung. Unsere Fachbereiche gliedern sich in „Genussmittelregulierung“, „Nutzhanf & Lebensmittel“, „Medizinalcannabis“, „CBD et al.“ sowie “Technik, Handel & Dienstleistung”. Wir bündeln industriepolitische, technologische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Expertise und setzen uns für bessere politischen Rahmenbedingungen ein.
Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC)
Ansprechpartnerin: Christina Schwarzer, Geschäftsführerin
Telefon: 030 235 939 590
Webseite: https://bpc-deutschland.de
E-Mail: info@bpc-deutschland.de
Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC) gewährleistet Patient:innen die bestmögliche Versorgung mit qualitätsgesichertem medizinischen Cannabis in Deutschland. Der Verband fördert eine zukunftsfähige Weiterentwicklung von Cannabinoid-Therapien und stärkt somit gleichzeitig die Position der pharmazeutischen Cannabinoid-Branche in Deutschland und im internationalen Markt. Ziel des BPC ist die Versorgungssicherheit von Patient:innen mit qualitätsgesichertem medizinischen Cannabis. Der BPC bündelt die Expertise seiner Mitglieder und setzt sich maßgeblich für ideale Anbau- und Versorgungsstrukturen von Medizinalcannabis ein. Diese einzigartige Kombination ermöglicht dem BPC die bestmögliche Vertretung der Interessen der deutschen Cannabinoid-Branche sowie eine klare Positionierung gegenüber Entscheidungsträgern.
Deutsche Medizinal-Cannabis Gesellschaft e.V. (DMCG)
Ansprechpartner: Dr. med. Dipl.-Chem. Konrad F. Cimander, Vorstand DMCG e.V.
Telefon: 0162 2305216
Website: www.medi-can.de
E-Mail: dmcg@medi-can.de
Mit unserem visionären Leitgedanken „Medizinal-Cannabis – Gesundheit wächst!“ bildet die Deutsche Medizinal-Cannabis Gesellschaft e.V. (DMCG) eine Plattform für Ärzt:innen und verbundene Berufsgruppen zur gemeinsamen Arbeit rund um das Thema Cannabis in der Medizin. Gegründet im September 2020 verfolgt die noch junge Fachgesellschaft den Zweck, die wissenschaftliche und praktische Arbeit zur Erforschung der Wirkungsweise sowie der Anwendungsfelder von cannabishaltigen Medikamenten zur Prävention, Behandlung und Nachsorge von Krankheiten, krankheitsähnlichen Beeinträchtigungen oder Zuständen sowie des ganzheitlichen Einsatzes bei Patient:innen im öffentlichen Gesundheitswesen zu fördern und zu unterstützen. Die DMCG ist Schirmherr des jährlich veranstalteten Medicinal Cannabis Congress in Berlin.
Interdisziplinärer Arbeitskreis Brandenburger Schmerztherapeuten und Palliativmediziner e.V. (IABSP)
Ansprechpartner: Dr. med. Christoph Wendelmuth, Dr. med. Knud Gastmeier
Telefon: 0331 743070
Webseite: https://www.iabsp.de
E-Mail: info@iabsp.de
Der Arbeitskreis IABSP wurde 1993 in Kleinmachnow gegründet. In ihm haben sich Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen aus Brandenburg organisiert, die sich mit den regionalen Problemen im Zusammenhang mit der Schmerz- und Palliativmedizin befassen und konstruktiv nach Lösungen suchen. Der IABSP hat auf verschiedenster Art und Weise seit 2000 maßgeblich an den Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden in Brandenburg mitgewirkt.
Patientenverband Selbsthilfenetzwerk Cannabis-Medizin (SCM)
Ansprechpartner: Gero Kohlhaas / Maximilian Plenert
Telefon: 05233 953 72 46
Webseite: https://selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de
E-Mail: gero.kohlhaas@selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de maximilian.plenert@selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de
Das Selbsthilfenetzwerk Cannabis als Medizin (SCM) ist die weitaus größte und älteste Vereinigung von Cannabispatient:innen in Deutschland. Es ist ein Netzwerk Betroffener innerhalb der ACM. Zusammen mit ihren ausgebildeten Patientenberatern, den örtlichen Selbsthilfegruppen und einem Patiententelefon, ist die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und deren Selbsthilfenetzwerk von Cannabispatienten die in Deutschland führende Stelle für Ratsuchende und Interessierte. SCM und ACM e. V. bieten Information, Beratung, Organisationsmöglichkeiten und Unterstützung, und damit Grundlagen für erkämpfte Meilensteine wie das “Cannabis als Medizin”-Gesetz.
Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA)
Ansprechpartnerin: Dr. Christiane Neubaur, Geschäftsführerin
Telefon: 0208 9912 9921
Webseite: https://vca-deutschland.de/
E-Mail: info@vca-deutschland.de
Das erklärte Ziel des VCA ist es, in Deutschland eine effiziente und bezahlbare Versorgung von Patient:innen mit medizinischem Cannabis sicherzustellen. Diese Versorgungspflicht sieht der Verband ganz klar bei den pharmazeutischen Expert:innen in der Apotheke. Denn gemäß § 1 Apothekengesetz obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Hier ist der Kontaktpunkt für Patient:innen, vor, während und nach dem Erhalt einer ärztlichen Verordnung. Das pharmazeutische Fachpersonal kann optimal beraten und therapeutisch begleiten.