Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V.

Der Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. ist eine Interessenvertretung für kranke Menschen, die von einer Cannabinoid-Therapie profitieren können.

 

Durch regelmäßigen Austausch der bundesweit aktiven Mitglieder haben wir unterschiedliche Problemfelder identifiziert und möchten Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen.

IST-ZUSTAND

Derzeit haben viele schwerkranke Menschen, deren Beschwerden durch eine Therapie mit Medizinal-Cannabis gelindert werden könnten, große Probleme, qualifizierte ärztliche Unterstützung zu erhalten.

 

Dies hat folgende Hintergründe:

1. Bürokratie des Kostenübernahmeantrages

Ein sehr großes Problem stellt hier die Bürokratie um den Kostenübernahmeantrag der Krankenkassen dar. Der Antrag ist ein hochkomplexes Gebilde, welches die Darlegung der kompletten Krankengeschichte sowie detaillierte Ausführungen der behandelnden Ärzte erfordert. Der Cannabis-Report 2018 von Glaeske und Sauer berichtet, dass allein 13 % der Ablehnungen aufgrund von unvollständigen Antragsunterlagen erteilt wurden.

2. Verhalten der Krankenkassen

Innerhalb unserer Selbsthilfegruppen wurden teils umfangreiche Anträge mit 30 und mehr Seiten eingereicht. Dennoch wurden diese Kostenübernahmeanträge teils mit widersinnigen Begründungen abgelehnt. Daraus resultiert eine

3. mangelnde Bereitschaft der Ärzte

a) Durch den umfangreichen Aufwand, den ein komplexer Kostenübernahmeantrag in der Arztpraxis verursacht – zusätzlich zum oben erwähnten Ablehnungsgebaren der Kassen – sind viele Ärzte inzwischen demotiviert und nicht mehr bereit, viel Zeit und Mühe in die Antragstellung zu investieren, da in den allermeisten Fällen ohnehin zunächst abgelehnt wird.

 

b) Hinzu kommt, dass die Verordnenden trotz einer Kostenübernahme-Zusage der Krankenkasse nicht vor einem Regress geschützt sind, was von den Krankenkassen auch deutlich so kommuniziert wird und Ängste schürt.

 

c) Ein weiterer Aspekt ist oft auch die fehlende Fachkenntnis in diesem umfangreichen medizinischen Gebiet, die viele Mediziner davon abschreckt, einen Therapieversuch mit Medizinal-Cannabis zu starten.

4. Verwechselung mit Freizeitkonsumenten

Häufig werden chronisch kranke Menschen, die durch eine Cannabinoid-Therapie Linderung erfahren können, von medizinischem Personal in eine Schublade mit Konsumenten der illegalen Rauschdroge Cannabis gesteckt. Aussagen der Mediziner, wie beispielsweise „Dieses Klientel möchte ich nicht in meiner Praxis haben.“ sind mehr Regel als Ausnahme.

 

Leider gab und gibt es immer wieder Freizeitkonsumenten, die ein regelrechtes Praxis-Hopping betreiben, um ihren Führerschein zu retten oder ihren illegalen Konsum rechtlich zu legitimieren. Hierdurch richten diese leider aus unserer Sichtweise einen sehr großen Imageschaden an, da in der Ärzteschaft ein völlig falsches Bild gezeichnet wird, welches dann auf alle Patienten zurückfällt.

5. Einzelne Ärzte, die aus der Verschreibung von BTM ein Geschäftsmodell gemacht haben

Der Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. hat seit der Gesetzesänderung im Jahr 2017 immer wieder Kenntnis über Einzelfälle von zweifelhaften Medizinern bekommen, die auch keine ausreichende und persönliche Betreuung der Patienten leisten.

 

Problematisch sehen wir, dass sich so ein 2-Klassen-System bilden kann, da sich schwerkranke Menschen eine kostspielige Cannabinoid-Therapie bei Privatärzten oft nicht leisten können. Aufgrund der im Vorfeld skizzierten Problematiken bei der Arztsuche haben finanziell schwach gestellte, chronisch Kranke kaum eine Chance.

 

Mit ausreichenden finanziellen Mitteln hingegen ist es möglich, zu Cannabis aus der Apotheke zu kommen. Für Patienten führt das teils zu einem moralischen Dilemma: Auf der einen Seite möchten sie solche Geschäftsmodelle grundsätzlich nicht unterstützen. Doch leider gibt es derzeit so wenig Ärzte, die mit Cannabinoiden therapieren, dass die kranken Menschen keine andere Wahl haben.

 

Die derzeitige Versorgungssituation ist für viele chronisch kranke Patienten, die von einer Cannabinoid-Therapie profitieren würden, definitiv nicht tragbar, da sie umstandsbedingt in die Kriminalität oder zu fragwürdigen Medizinern gedrängt werden.

POTENZIELLE LÖSUNGSANSÄTZE

1. Bürokratie des Kostenübernahmeantrags

Der Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. empfiehlt hier als echte Hilfe für Ärzte den interaktiven Fragebogen von Copeia, mit dem die Mediziner den Kostenübernahmeantrag erstellen können. Das Tool unterstützt den Arzt auch bei Fragen zu Dosierung oder nach alternativen Therapieoptionen. Eine Verbreitung dieser Innovation innerhalb der Ärzteschaft empfehlen wir daher ebenso, wie einen Round Table mit den Vertretern der Krankenversicherungen, um diese Option dort vorstellen und ggf. ins Antragsprozedere integrieren zu können.

2. Verhalten der Krankenkassen

Unseren Beobachtungen zufolge ist das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als Kontrollbehörde einer Vielzahl von Krankenkassen ein wirksames Instrument. Doch sind möglicherweise derzeit nicht ausreichend Mitarbeiter innerhalb des BAS tätig, um jeder Beschwerde zeitnah nachgehen zu können. Daher halten wir eine Erweiterung der Behörde in Verbindung mit einer breit gestreuten Info-Aktion über deren Aufgaben für sehr sinnvoll.

 

Die Erfahrung zeigt uns, dass viele Patienten das BAS und seine Möglichkeiten nicht  kennen, weshalb oft gesetzeswidrige Ablehnungen von Anträgen nicht geahndet werden. Diese Maßnahmen würden eine Stärkung der Rechte chronisch kranker Menschen bewirken.

3. Mangelnde Bereitschaft der Ärzte

a) Erhöhung der extrabudgetären Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für die Bearbeitung eines Kostenübernahmeantrages und deutliche Verkürzung des Rechtsweges im Falle eines notwendigen Widerspruchs- und Sozialgerichtsverfahrens.

 

In der Regel warten Patienten und Ärzte zwischen zwei und drei Jahre auf ein Urteil des Sozialgerichts. Dies ist für einen chronisch kranken Menschen noch belastender als schon für den behandelnden Arzt. Darum sollte hier ein alternatives Widerspruchsverfahren geschaffen werden, welches schneller und damit im Sinne von Patienten und Kassen arbeitet. Hiermit soll vermieden werden, dass Menschen mit einem krankheitsbedingt sehr hohen Leidensdruck zusätzlich belastende Rechtsstreite über Jahre führen müssen, während die Gerichte komplett überlastet sind.

 

b) Ärzte dürfen von den Kassen nach einer erteilten Kostenübernahme-Zusage nicht in Regress genommen werden, wie es beispielsweise schon in Baden-Württemberg der Fall ist (Praxisbesonderheit).

 

c) Die Erhöhung der gewährten CME-Fortbildungspunkte für die Teilnahme an Weiter-bildungen über den medizinischen Einsatz von Cannabinoiden von zwei auf vier Punkte würde weitere Anreize für Ärzte schaffen, sich hier fortzubilden.

 

d) Unterstützung und Verbreitung von seriösen Weiterbildungsanbietern wie beispiels-weise dem Deutschen Zentrum für Medizinal-Cannabis (dzmc.de).

 

e) Spezialisierte Apotheken, welche eng mit dem Arzt im Sinne des Patienten zusammenarbeiten und entsprechend geschult sind. Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA) leistet hier seit Jahren Pionierarbeit und arbeitet seinerseits aktuell an einer politischen Kampagne anlässlich der anstehenden Bundestagswahl.

4. Verwechselung mit Freizeitkonsumenten

Hier schlagen wir eine Vertrauensoffensive von Seiten der Patienten vor. Dies können weit gestreute PR-Aktionen, vertrauensbildende Maßnahmen durch Einzelgespräche mit Ärzten oder Patienten sein. Hierzu werden wir bei Interesse gerne konkrete Ideen präsentieren.

5. Einzelne Ärzte, die aus der Verschreibung von BTM ein Geschäftsmodell gemacht haben

Sollten die von uns vorgeschlagenen Verbesserungen zeitnah umgesetzt werden können, wäre der Besuch einer reinen Privatarztpraxis nur zur Unterstützung des behandelnden GKV-Vertragsarztes nötig. Durch den Abbau der Hürden für chronisch kranke Patienten auf dem Weg zur Kostenübernahme-Zusage wollen wir mehr Ärzte und Apotheken dazu motivieren, sich mit dem spannenden Thema Medizinal-Cannabis zu befassen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet.

Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.